Psychische Gesundheit von Kindern hat sich durch Corona verschlechtert

  10 Juli 2020    Gelesen: 776
Psychische Gesundheit von Kindern hat sich durch Corona verschlechtert

Einer Untersuchung zufolge spüren zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen während der Coronakrise seelische Belastungen. Auch das Familienklima insgesamt habe sich verschlechtert.

Kinder und Jugendliche leiden stark unter der Corona-Pandemie und zeigen vermehrt psychische und psychosomatische Auffälligkeiten. Das hat eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) herausgefunden. Betroffen seien demnach vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien, sagte Ulrike Ravens-Sieberer von der Forschungsgruppe "Child Public Health" am UKE.

Für die "Copsy"-Studie wurden zwischen Mai und Juni mehr als tausend Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren und mehr als 1500 Eltern online befragt. "Die Studie hat gezeigt, dass die Herausforderungen der Pandemie und die damit im sozialen Leben einhergehenden Veränderungen die Lebensqualität und das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen verringern und das Risiko für psychische Auffälligkeiten erhöhen", sagte Studienleiterin Ravens-Sieberer. "Die meisten Kinder und Jugendlichen fühlen sich belastet, machen sich vermehrt Sorgen, achten weniger auf ihre Gesundheit und beklagen häufiger Streit in der Familie."

Ängstlicher, schneller gereizt, schlaflos
Im Mittelpunkt der Studie standen Themen wie psychische Gesundheit, Lebensqualität und Gesundheitsverhalten sowie konkrete Fragen zu Schule, Familie und Freunden. Um herauszufinden, wie sich die Werte im Vergleich zu der Zeit vor Corona verändert haben, verglichen die Forscherinnen und Forscher die aktuellen Werte mit vorher erhobenen Daten bundesweiter Studien.

Den Ergebnissen zufolge fühlten sich 71 Prozent der befragten Kinder durch die Coronakrise psychisch belastet. Davor sei es nur ein Drittel gewesen, so Ravens-Sieberer. Zwei Drittel der Kinder gaben demnach eine verminderte Lebensqualität und ein geringeres psychisches Wohlbefinden an.

Auch die Eltern bestätigten in der Umfrage, dass ihre Kinder ängstlicher seien, schneller gereizt, dass sie Schlafprobleme hätten und das Streits häufiger eskalierten. "Das Familienklima, also die Stimmung zwischen Eltern und Kindern, hat sich deutlich verschlechtert", sagte Ravens-Sieberer auf einer Pressekonferenz des UKE.

"Die Kinder empfinden zudem Schule und das Lernen als anstrengender als zuvor und haben Probleme, den schulischen Alltag zu bewältigen", sagt Ravens-Sieberer. "Das verwundert kaum, da den Kindern und Jugendlichen die gewohnte Tagesstruktur und natürlich ihre Freunde fehlen. Beides ist für die psychische Gesundheit sehr wichtig."

Der Studie zufolge stieg das Risiko für psychische Auffälligkeiten von rund 18 Prozent vor Corona auf 31 Prozent während der Krise. Die Kinder und Jugendlichen machen sich mehr Sorgen und zeigen häufiger Auffälligkeiten wie Hyperaktivität (24 Prozent), emotionale Probleme (21 Prozent) und Verhaltensprobleme (19 Prozent). Auch psychosomatische Beschwerden treten demnach während der Coronakrise vermehrt auf. Neben Gereiztheit (54 Prozent) und Einschlafproblemen (44 Prozent) sind das beispielsweise Kopf- und Bauchschmerzen (40 bzw. 31 Prozent).

Besonders sorgten sich die Kinder und Jugendlichen um ihre Freundschaften. Sie fühlten sich durch den eingeschränkten sozialen Kontakt belastet. Bei jedem zweiten Kind habe das Verhältnis zu seinen Freunden durch die fehlende Nähe gelitten. "Die Nutzung digitaler Medien hat in der Folge zugenommen", so Ravens-Sieberer. "Das ist nicht verwunderlich." Anhand der Studienergebnisse könne man sehen, dass die Kinder die Krise seelisch mittragen.

"Wir haben mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens in der Krise gerechnet", sagt Ravens-Sieberer. "Dass sie allerdings so deutlich ausfällt, hat auch uns überrascht." Die Corona-bedingten Veränderungen belasten vor allem bestimmte Gruppen von Kindern und Jugendlichen, etwa Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss oder einen Migrationshintergrund haben. Fehlende finanzielle Ressourcen und beengter Wohnraum führten zu einem hohen Risiko für psychische Auffälligkeiten.

spiegel


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