Zug: Strafanzeige wirft Schlaglicht auf Milliardenpleite einer Briefkastenfirma

  08 Auqust 2018    Gelesen: 1197
Zug: Strafanzeige wirft Schlaglicht auf Milliardenpleite einer Briefkastenfirma

Der Konkurs der Zuger Briefkastenfirma Zeromax hat bisher wenig Aufsehen erregt. Es geht aber um Milliardenforderungen und um Querverbindungen zum usbekischen Geldwäscherei-Skandal.

Balz Bruppacher

Was haben die Steuerverwaltung in Baar, eine Reinigungsfirma in Steinhausen, der brasilianische Fussballstar Rivaldo, ein russisches Pipeline-Konsortium und ein Bauunternehmen im Schwarzwald miteinander zu tun? Sie stehen alle im Gläubigerverzeichnis der Zeromax GmbH in Liquidation, einer 2004 in Zug gegründeten Briefkastenfirma, die ihren Sitz später nach Baar verlegte.

Im Konkursverfahren haben 191 Gläubiger Forderungen von total 5,635 Milliarden Franken angemeldet. Gemessen an der Summe handle es sich um die grösste Pleite in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte seit dem Zusammenbruch der Swissair, schrieb das Westschweizer Magazin «L’Hebdo», das im September 2011 erstmals auf den Konkurs aufmerksam machte.

Blockierte Gelder im Visier

Dass die Zeromax sieben Jahre später wieder zu reden gibt, hängt mit dem Geldwäschereiskandal um die Usbekin Gulnara Karimowa zusammen, die älteste Tochter des 2016 verstorbenen usbekischen Präsidenten Islam Karimow. Im Bemühen, die Gläubiger zu befriedigen, hat die Zeromax-Konkursmasse die inzwischen 46-jährige Karimowa ins Visier genommen. Und zwar mit einer Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung. Die schillernde Präsidententochter, die ihr Land bei der UNO in Genf als Diplomatin vertrat und die als Sängerin und Modedesignerin für Schlagzeilen in der Boulevardpresse sorgte, sei die faktische Geschäftsführerin der Zeromax gewesen, argumentierten die Konkursverwalter. Dabei habe sie Vermögenswerte der Firma veruntreut und einen Schaden von über einer halben Milliarde Franken verursacht.

Im Auge hatten die Konkursverwalter die seit 2012 auf Schweizer Banken eingefrorenen Gelder im Strafverfahren der Bundesanwaltschaft (BA) gegen Karimowa und fünf usbekische Mitbeschuldigte. Es geht um Vermögenswerte von über 800 Millionen Franken.

Der Vorstoss war insofern erfolgreich, als die BA das Geldwäscherei-Strafverfahren nach dem Eingang der Strafanzeige im Juni 2014 auf den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung ausweitete und die Zeromax-Konkursmasse als Privatklägerin anerkannte.

In den USA gegründet, in Zug Konkurs gegangen

Die Zeromax wurde 1999 im US-Teilstaat Delaware gegründet und verlegte ihren Sitz 2004 nach Zug. Obwohl nur mit einer Briefkastenadresse ausgestattet, wurde das Unternehmen in einschlägigen Wirtschaftspublikationen als grösste private Firma Usbekistans bezeichnet. Zeromax war laut Handelsregister im Handel mit Rohstoffen, insbesondere Erdöl und Erdgas, tätig. Angeblich auf Weisung der usbekischen Behörden meldete das Unternehmen 2010 wegen Überschuldung den Konkurs an.

Das Obergericht des Kantons Zug und das Bundesgericht traten nicht auf Beschwerden gegen die Konkurseröffnung ein. Bei den vier Beschwerdeführern handelte es sich gemäss Medienberichten um ukrainische Firmen, darunter das Industriekonglomerat SCM des Oligarchen Rinat Achmetow. SCM machte demnach geltend, Zeromax schulde 416 Millionen Dollar für Pipelines. Das Bundesgericht kam 2011 jedoch wie zuvor das Zuger Obergericht zum Schluss, dass die Beschwerdeführer keine direkten Gläubiger sind, weil die Transaktionen über eine russische Gruppe abgewickelt wurden. Die Konkurseröffnung vom 20. Oktober 2010 über die Zeromax wurde damit rechtskräftig. (bbp)

Undurchsichtigen Manöver der Präsidententochter

Als die Konkursverwalter im vergangenen Herbst von ihrem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch machen wollten, schloss die Bundesanwaltschaft die Zeromax aber wieder vom Verfahren aus. Das Bundesstrafgericht bestätigte mit Entscheid vom 27. Februar dieses Jahres die Aberkennung der Privatklägerschaft für die Zeromax-Konkursmasse. Dieser Beschluss kann nicht mehr angefochten werden. Interessant ist diese Entwicklung in doppelter Hinsicht. Zum einen fällt der Entzug der Privatklägerschaft für die Zeromax mit dem Bemühen der Bundesanwaltschaft und des Bundesrats zusammen, den grössten Geldwäschereifall der letzten Jahre möglichst bald ­abzuschliessen. Und zwar mit der Einziehung und Rückerstattung der eingefrorenen Gelder an Usbekistan.

Der Bundesrat hatte sich am vergangenen 9. Mai in einem nicht veröffentlichten Vorentscheid für die Rückführung der Gelder an Usbekistan ausgesprochen, wie Recherchen unserer Zeitung ergaben (wir berichteten am 17. und 24. Juni). Das Verfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung gegen Karimowa und weitere Beschuldigte ist zwar noch im Gang. Die BA hat im Geldwäschereiverfahren mit zwei Strafbefehlen vom 22. Mai gegen ehemalige Vertraute der Präsidententochter aber bereits die Einziehung von rund 700 Millionen Franken verfügt. Rekurse des Verteidigers von Karimowa gegen die Strafbefehle sind zurzeit noch hängig. Für die Zeromax-Gläubiger ist zum anderen von Interesse, wie BA und Bundesstrafgericht den Versuch stoppten, Gulnara Karimowa in die Pflicht zu nehmen. Es geht dabei um die Frage, ob die Zeromax GmbH faktisch von der Tochter des verstorbenen Präsidenten kontrolliert war. Und ob die Zeromax damit Teil des Geflechts von Firmen und Finanztransaktionen war, mit denen Karimowa und die Mitbeschuldigten riesige Schmiergeldsummen von Firmen erpressten, die am Markteintritt in Usbekistan interessiert waren.

Offene Rechnungen für Kongresspalast

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zeigten laut dem Urteil des Bundesstrafgerichts, dass die von Karimowa und den Mitbeschuldigten errichtete Struktur des sogenannten «Office» zwar Geschäftspartnerin der Zeromax war. Dass Karimowa die Zeromax faktisch kontrolliert habe, lasse sich aber nicht nachweisen. Die BA stützt sich dabei unter anderem auf Aussagen von ehemaligen Zeromax-Verantwortlichen in Usbekistan, die zum Teil langjährige Haftstrafen verbüssen. Die These, dass es zwischen Zeromax und Karimowa keine organischen Verbindungen gab, wird gemäss Bundesstrafgericht auch durch den Umstand gestützt, dass es sich bei den grössten Gläubigern der Zeromax um usbekische Firmen aus der Gasindustrie handelt.

Die Gläubiger der Zeromax verwiesen demgegenüber auf die Aussagen eines ehemaligen Assistenten von Karimowa vor einem amerikanischen Gericht, der die faktische Geschäftsführerschaft der Usbekin bei der Zeromax ­bestätigte. Zu den Gläubigern gehören unter anderem deutsche Firmen, die am Bau und an der Innenausstattung des Kongresszentrums in der usbekischen Hauptstadt Taschkent beteiligt waren. Die mittelständischen Firmen aus Deutschland, die im Auftrag der Zeromax für das 2009 eröffnete Prunkgebäude tätig waren, blieben nach der Pleite der Zuger Firma auf ihren offenen Rechnungen sitzen. Sie haben Forderungen von rund 160 Millionen Franken angemeldet und auch die deutsche Politik eingeschaltet. Darunter ist zum Beispiel eine Firma aus Dresden, welche die Bühnentechnik im Kongresspalast geliefert und montiert hatte.

Im Gläubigerverzeichnis, das unserer Zeitung vorliegt, figurieren auch sechs brasilianische Fussballer, die beim Klub Bunyodkor Taschkent gespielt hatten –darunter der ehemalige Weltmeister Rivaldo, der 22,7 Millionen Franken geltend macht. Er war 2008 von Bunyodkor engagiert worden. Die grössten Gläubiger sind zwei usbekische Firmen der Öl- und Gasindustrie, die zusammen fast 4 Milliarden Franken angemeldet haben. Dreistellige Millionensummen fordern zudem russische Firmen. Um bescheidenere Beträge geht es bei der Arbeitslosenkasse des Kantons Zug, die eine Insolvenzentschädigung von 5787.25 Franken und nicht bezahlte AHV- und Unfallversicherungsbeträge von 872.70 Franken geltend macht. Offene Steuerrechnungen von knapp 97000 Franken haben die Eidgenossenschaft, der Kanton Zug und die Gemeinde Baar. Ob und wie viel die Gläubiger je zurückerhalten, ist höchst ungewiss. Prognosen will niemand machen. «Was man sicher sagen kann: Es ist kein normales Konkursverfahren», sagte ein Beteiligter. Keine Stellungnahme mochte auf Anfrage der Zürcher SP-Ständerat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch abgeben. Er hat die Zeromax-Konkursmasse im Rekursverfahren vor Bundesstrafgericht vertreten.


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