Mutmaßlicher Bali-Terrorist soll freikommen

  22 Januar 2019    Gelesen: 1174
Mutmaßlicher Bali-Terrorist soll freikommen

Bei einem Terroranschlag vor 16 Jahren sterben auf der indonesischen Insel Bali mehr als 200 Menschen, darunter auch Australier und Deutsche. Als geistiger Urheber der Bluttat gilt der islamistische Hassprediger Abu Bakar Baschir. Ihm winkt nun eine vorzeitige Entlassung.

Die erste Bombe war in einem Rucksack versteckt: Am 12. Oktober 2002, einem Samstagabend, kurz nach 23 Uhr, explodierte der Sprengsatz ohne Vorwarnung. Wer in "Paddy's Pub", einem vor allem von Ausländern besuchten Lokal auf der Urlauberinsel Bali, am Leben blieb, rannte schnell nach draußen. Dort explodierte dann die nächste Bombe, diesmal versteckt in einem geparkten Auto. Die Bilanz: 202 Tote, darunter allein 88 Australier, aber auch sechs Deutsche.

Der Anschlag - kaum ein Jahr nach dem 11. September - ging auf das Konto der islamistischen Terrorgruppe Jemaah Islamiah (JI). Deren Ziel: in Indonesien und darüber hinaus ein Kalifat zu errichten. Drei der Terroristen wurden gefasst, verurteilt und hingerichtet. Der mutmaßliche Ideologe und Anstifter der Anschläge jedoch, der Hassprediger Abu Bakar Baschir, wurde zunächst nur verurteilt, dann freigesprochen, kurz darauf in anderer Sache erneut verurteilt. Bis heute bestreitet er jede Beteiligung.

Inzwischen ist Baschir ein alter Mann von 80 Jahren, sitzt seit neun Jahren im Gefängnis, und ist dünn geworden. Aber seit Indonesiens Präsident Joko Widodo am Wochenende seine vorzeitige Entlassung verkündete - aus "humanitären und gesundheitlichen Gründen" - ist die Aufregung im Land und über die Grenzen Indonesiens hinaus groß. Der Australier Phil Britten, der den Bali-Anschlag 2002 überlebte, aber sieben Freunde verlor, sagt: "Meine Freunde hatten keine Chance, ihr Leben friedlich fortzusetzen. Warum sollte er das dürfen?"

Beteiligung konnte nie nachgewiesen werden


Inzwischen ist der Fall auch in der internationalen Politik angekommen. Australiens Premier Scott Morrison bat Widodo, das Thema mit "großer Sorgfalt" zu behandeln - eine kaum verklausulierte Aufforderung, den Mann hinter Gittern zu lassen. Auch Vertreter der übrigen 20 Staaten, die Opfer zu beklagen haben, äußerten sich verwundert. Die Bundesregierung hält sich mit offiziellen Äußerungen bislang zurück. Der Präsident lässt die Freilassung nun nochmals prüfen. Sein Sicherheitsminister Wiranto versicherte zu Wochenbeginn, die Entscheidung werde "nicht überhastet" erfolgen. Aus dem geplanten Termin an diesem Donnerstag wird wohl nichts.

Baschir selbst, der Bali-Touristen einst als "Würmer" und "Maden" schmähte, bekannte sich noch 2014 zum Islamischen Staat. Zur möglichen Freilassung sagte er nun: "Wenn Allah das erlaubt, ist es allein ihm zu verdanken." Eine unmittelbare Beteiligung am Bali-Anschlag konnte Baschir nie nachgewiesen werden. Ein Urteil, wonach er seine Einwilligung gegeben habe, hob die nächste Instanz auf. In Indonesien - mit mehr als 200 Millionen Gläubigen bevölkerungsreichstes muslimisches Land der Welt - trat er erstmals in den 1970er Jahren mit radikalen Predigten in Erscheinung.

Entscheidung zur Freilassung kam überraschend


An einem von ihm gegründeten Internat auf Java rekrutierten Terrorgruppen ihren Nachwuchs. Der Koran-Lehrer war auch bei der Gründung der Terrororganisation JI ("Islamische Gemeinschaft") dabei. Baschir lebte mehrere Jahre in Malaysia im Exil. Seit seiner Rückkehr 1998 saß er mehrfach im Gefängnis. Wegen Unterstützung für ein terroristisches Ausbildungscamp wurde er schließlich 2011 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Auf die Möglichkeit, den verachteten indonesischen Staat um eine Begnadigung zu bitten, verzichtete er.

Die Entscheidung kam deshalb überraschend. Zwar ist es auch in Indonesien möglich, nach Verbüßung eines Großteils der Strafe vorzeitig freizukommen. Aber warum jetzt? Viele vermuten, dass dies damit zusammenhängt, dass Indonesien in drei Monaten - am 24. April - über seinen nächsten Präsidenten entscheidet. Widodo hat gute Chancen, im Amt zu bleiben. Er braucht jedoch auch Stimmen aus dem konservativen islamischen Lager, das immer mehr an Einfluss gewinnt.

Die Asien-Expertin Sidney Jones vom Institut für Konfliktforschung in Jakarta hält die Entscheidung dennoch für falsch. Zum einen, "weil die Dschihadisten ihren Helden zurückbekommen". Aber auch für Widodo selbst: "Entweder es sieht so aus, als ob er für ein paar Stimmen alles tut - oder dass er politisch so taub und blind ist, dass er keine Ahnung hatte, welche Konsequenzen die Freilassung haben wird". Im Prinzip sind nun drei Dinge möglich: Es bleibt bei der Entlassung. Sie wird verschoben. Oder Baschir bekommt eine Art Hausarrest mit Redeverbot.


Quelle: n-tv.de


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