“Ein neues Kapitel aufgeschlagen“

  18 Januar 2016    Gelesen: 759
“Ein neues Kapitel aufgeschlagen“
Die Gefahr einer iranischen Atombombe ist gebannt, das Eis zwischen Washington und Teheran schmilzt und das Öl wird noch billiger: Die am Samstag ausgerufene Umsetzung des Atomabkommens und die Aufhebung der westlichen Sanktionen haben "ein neues Kapitel in den Beziehungen des Irans mit der Welt aufgeschlagen", erklärte Präsident Hassan Ruhani am Sonntag in Teheran. US-Außenminister John Kerry hält die ganze Welt für "sicherer".
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte dem Iran am Samstag - sechs Monate nach Unterzeichnung des Deals - die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen bescheinigt: Zwei Drittel der Zentrifugen sind abgebaut; das angereicherte Uran ist außer Landes geschafft; der Reaktor in Arak ist unbrauchbar gemacht.

Die EU und die USA erklärten daraufhin noch am Samstagabend die sofortige Aufhebung der meisten Sanktionen. Damit kann der Iran auf bis zu 50 Milliarden Dollar an eingefrorenem Geld zurückgreifen und den Ölexport hochfahren. Auch deutschen Firmen winken Milliardengeschäfte mit der 79-Millionen-Einwohner-Nation.

"Der Tag ist historisch, weil wir in den zwölfjährigen Verhandlungen oft genug am Rande eines Krieges standen", erinnerte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Sonntag an die geduldigen Bemühungen der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands, die am 14. Juli in das Abkommen mit Teheran mündeten. Die Kriegsgefahr "ist gebannt und der Iran findet sich auf dem Wege der Rückkehr in die Weltgemeinschaft".

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte den "bedeutenden Meilenstein", der den Frieden und die Stabilität in der ganzen Region stärken könne. Selbst Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, der das Abkommen lange als "gefährlich" bekämpft hatte, reagierte am Sonntag gemäßigt: Israels Politik werde weiter ihr Ziel verfolgen, "dem Iran nicht zu erlauben, sich Atomwaffen zu beschaffen", sagte er im Kabinett.

Der Iran sei "keine Bedrohung für irgend eine Regierung oder irgend eine Nation", versicherte seinerseits Ruhani. Für den gemäßigten Präsidenten birgt die Aufhebung der Sanktionen die enorme Chance, die wirtschaftliche Lage seiner Landsleute nach Jahren des Darbens zu verbessern und damit die eigene Position zu stärken. Bei der Vorlage des Haushalts am Sonntag gab er das Ziel aus, im laufenden Jahr aus der Rezession zu einem Wirtschaftswachstum von acht Prozent durchzustarten.

"Binnen weniger Stunden wurden von verschiedenen Banken schon tausend Kreditlinien geöffnet", verkündete Ruhani. Mit Blick auf die konservativen Abkommensgegner in Teheran fügte er hinzu: "Diejenigen, die sagten, `glaubt (den internationalen Partnern) nicht`, haben sich geirrt."

Ruhani will nach eigenen Angaben die Abhängigkeit vom Öl überwinden und setzt auf ausländische Investitionen im Volumen von "30 bis 50 Milliarden Dollar jährlich". Der Anteil der Öleinnahmen soll auf ein Viertel begrenzt werden. Gleichwohl soll die Exportmenge von einer Million Barrel auf 2,25 Millionen Barrel täglich mehr als verdoppelt werden.
Die Aussicht, der ohnehin gesättigte Ölmarkt könne mit weiterem Öl aus dem Iran überflutet werden, erschütterte am Sonntag die Börsen in der Golfregion. In Riad brach der Tadawul-Index, der größte im arabischen Markt, zwischenzeitlich um 7,2 Prozent ein - ein Vierjahrestief.

Aufwärts geht es dagegen in den US-iranischen Beziehungen, die 1980 im Zuge der Revolution ganz abgebrochen worden waren. Das belegt ein Gefangenenaustausch, der am Samstag verkündet wurde. Schon am Sonntag wurden vier freigelassene US-Bürger, unter ihnen der "Washington Post"-Korrespondent Jason Rezaian, aus Teheran in die Schweiz geflogen, wie das iranische Staatsfernsehen berichtete. Washington begnadigte seinerseits sieben Iraner.

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